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Mit dem Fahrrad entlang des früheren Eisernen Vorhangs unterwegs
Im letzten Jahr hatten wir unsere Tour von Helsinki nach Sopron für 14 Tage unterbrochen, um zum einen zur Hochzeit eines befreundeten Paares zu fahren und zum anderen, um an einer Sommerschule zum Thema unseres Projektes teilzunehmen.
Diese 14 Tage fehlten uns jedoch am Ende des Projektes, um die geplante Strecke komplett erfolgreich zu befahren.
Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, das fehlende Teilstück zwischen Wittenberge und Szczecin in diesem Jahr zu befahren und damit unser Projekt abzuschließen.
Ab dem 14.07.2015 sind wir deshalb wieder entlang des Eisernen Vorhang Radweges unterwegs. Während unserer Fahrt werden wir — wie im letzten Jahr — die Bewohner des ehemaligen Grenzgebietes nach ihren persönlichen Erfahrungen mit der Grenze befragen.
Schon nach den ersten Kilometern in Kaliningrad verfestigt sich bei uns die Überzeugung, dass in der Sowjetunion und auch in der heutigen Russischen Föderation die beiden Disziplinen Stadtplanung und Verkehrsplanung gegeneinander konkurrieren. Mit jedem Projekt scheinen die Vertreter der einen Disziplin den Vertretern der anderen Fachrichtung ihren Willen aufzwingen zu wollen. Koste es was es wolle und ungeachtet der Konsequenzen für die Menschen.
Anders ist es kaum zu erklären, dass zum Beispiel in der Mitte einer vierspurigen Trasse neue Häuser errichtet werden können, welche dann vom Verkehr rechts und links einspurig umflossen werden. Um das Hindernis in der Mitte der Straße zu umfahren, müssen die Fahrzeuge natürlich vorher noch Straßenbahngleise queren, um hinter dem Hindernis erneut über selbe auf die alte Straßenführung zurück zu kommen. Wem die täglichen Gefahren des Lebens nicht genügen, der baut sich und seinen Mitmenschen eben künstlich neue…
Am Ende des Tages sind wir vom ersten Eindruck den die Stadt hinterlässt sehr überrascht. Zum einen erscheint die Hoffnung etlicher Einwohner der Stadt reichlich naiv, dass in wenigen Jahren das Kaliningrader Gebiet wieder deutsches Staatsgebiet wird. Zum anderen überraschen die selbst für sowjetische Verhältnisse chaotischen Artefakte stadtplanerischer Tätigkeit. Zum Teil ist Bausubstanz aus der Vorkriegszeit bei der Neubebauung von Kriegsbrachen berücksichtig worden, zum Teil scheinen die Entscheidungsträger willkürlich Typenbauten in ein Flurstück eingepasst zu haben, ohne den umgebenden Raum bei der Planung zu berücksichtigen. Als Schichtung kann man das wohl kaum mehr bezeichnen. Was für eine geschundene Stadt. Erst die Kriegsschäden, dann die allem Anschein nach weitgehend konzeptlose Neubebauung, ohne Rücksicht auf die Menschen, die in diesem Chaos wohnen müssen.
Wir werden im Stadtmuseum nachfragen, wer für die Stadtplanung nach dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich war und in welchen Phasen der Wiederaufbau der Stadt erfolgt ist.
Haus der Sowjets und neue Stadtbebauung im Zentrum Kaliningrads
Stadtansicht Kaliningrad
Internationalismus bei den Grundnahrungsmitteln („Euro-Brot“)
Patriotismus bei den Grundnahrungsmitteln („Russisches Brot“)
Auf unserem Weg aus der Stadt hinaus treffen wir auf der Straße die Frau, welche uns am Vorabend mit ihrem Hinweis auf ein weiteres Wohnheim die entscheidende Hilfe zum Finden einer Unterkunft gegeben hat. Die Welt ist eben auch in Sovetsk sehr klein.
Da wir uns auf explizite Nachfrage bei der Einreise für unseren Aufenthalt in der Russländischen Föderation registrieren lassen müssen, möchten wir dies vor unserer Abfahrt aus Vyborg auch tun. Die nächste Gelegenheit für eine Registrierung wäre erst wieder in Sankt Petersburg und dies wäre nach Aussage der russischen Grenzer zeitlich zu spät nach der Einreise. Also machen wir uns in Vyborg auf die Suche nach der zuständigen Migrationsbehörde. Wer sollte die Adresse dieser Einrichtung besser kennen als die lokale Polizei? Diese scheint zumindest in diesem Punkt nicht besser zu sein als ihr Ruf. Die Wache wimmelt uns ab und hat noch nicht einmal einen Stift und Papier, damit wir uns zumindest die Adresse notieren können, an welche wir verwiesen werden.
Die Polizisten vor der Wache sind auch nicht besser informiert als die Kollegen im Inneren der Dienststelle. Zumindest haben sie Stift und Papier, so dass wir uns die Adresse aufschreiben können, zu welcher wir mit unserem Anliegen erneut verwiesen werden.
In der lokalen Dienststelle der Migrationsbehörde in Vyborg ist der aktuelle Konflikt in der Ukraine voll präsent. Vor und insbesondere in der Behörde drängen sich die Menschen, um an Stempel, Genehmigungen oder sonstige offiziellen Dokumente zu gelangen. Entsprechend gering ist die Bereitschaft der Bediensteten, sich mit dem für Vyborg sicherlich selten vorkommenden Sonderfall eines Radreisenden aus Westeuropa zu beschäftigen. Nach einigen fruchtlosen Anläufen einen Ansprechpartner zu finden und aus diesem die relevanten Informationen für den Registrierungsprozeß zu extrahieren, gehen wir zum Dienststellenleiter. Der hat zufällig Sprechstunde und deshalb ein paar Minuten für uns Zeit. Ergebnis des Gespräches: Wir können ohne Registrierung weiterfahren, da eine solche erst nach einem Aufenthalt von mehr als 7 Werktagen der Migrationsbehörde an einem Ort verlangt wird. Da wir nicht vorhaben an einem Ort länger als 7 Werktage + die dazwischenliegenden Wochenenden zu bleiben, nehmen wir den Dienststellenleiter beim Wort und verabschieden uns ohne Registrierung aus Vyborg.
Aufgrund der mit dem Registrierungsgehadere verbundenen Zeitverlust schaffen wir leider unser Tagessoll nicht und übernachten am Strand in Primorsk.
Von Helsinki zum Paneuropäischen Picknick — europäische Geschichte erfahren