Bilder aus Belarus

Wäh­rend mei­ner ver­schie­de­nen län­ge­ren Auf­ent­halte in Weiß­ruß­land in den 1990er Jah­ren habe ich keine oder nur sehr wenige Pho­tos gemacht. Mitt­ler­weile finde ich dies sehr bedau­er­lich, da sich die­ses Land mit sei­ner wirt­schaft­li­chen und sozia­len Ent­wick­lung nach der Auf­lö­sung der Sowjet­union sehr von der ande­rer ehe­ma­li­ger Uni­ons­re­pu­bli­ken unterscheidet.
Auf­grund mei­ner pho­to­gra­phi­schen Zurück­hal­tung kann ich hier nur wenige Bil­der aus der angeb­lich „sowje­tischs­ten aller ehe­ma­li­gen Uni­ons­re­pu­bli­ken“ zeigen.

Die Ein­ord­nung Weiß­ruß­lands in die poli­ti­sche Land­schaft Euro­pas sowie die Bewer­tung der wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung im Land ist für mich recht schwie­rig. Auf offi­zi­el­ler Ebene wird das Lukaschenko-Régime von Poli­ti­kern aus der Euro­päi­schen Union gern und oft als die „letzte Dik­ta­tur“ Euro­pas bezeich­net und als Unrechts­staat stig­ma­ti­siert. Zur Begrün­dung die­ser Kenn­zeich­nung wird dann von die­sen Poli­ti­kern ange­führt, daß in Weiß­ruß­land Jour­na­lis­ten, Poli­ti­ker und ein­fa­che Men­schen spur­los ver­schwin­den, poli­tisch und zivil­ge­sell­schaft­lich enga­gierte Staats­bür­ger mit absur­den Rechts­kon­struk­tio­nen inhaf­tiert sowie mit den Mit­teln eines Poli­zei­staa­tes über­wacht, drang­sa­liert und ein­ge­schüch­tert werden.
Hier­bei ver­ges­sen eben jene Poli­ti­ker geflis­sent­lich, daß auch in den Staa­ten der Euro­päi­schen Union Men­schen ver­schleppt, ohne Anklage jah­re­lang ein­ge­ker­kert, von Nach­rich­ten­diens­ten „befreun­de­ter Län­der“ ent­führt und gefol­tert wer­den. „Dies kann man doch nicht ver­glei­chen!“, „Das sind doch nur bedau­er­li­che Ein­zel­fälle.“ oder „Das trifft doch keine Unschul­di­gen.“, höre ich jetzt schon wie­der einige Mit­men­schen sagen. „Wo?“, muß ich dann fra­gen. „In Bela­rus oder in der Euro­päi­schen Union?“
Das Ver­hält­nis der Staa­ten der Euro­päi­schen Union zu Bela­rus erscheint mir in den letz­ten Jah­ren immer mehr als eine Haß­li­ebe und wech­sel­sei­tige Abhän­gig­keit. Die eine Seite ruft: „Hal­tet den Dieb!“ und weist auf die Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen in Bela­rus hin, um von den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen im eige­nen Rechts­raum abzu­len­ken. Gleich­zei­tig treibt die rhe­to­ri­sche Ab- und Aus­gren­zung Bela­rus poli­tisch in die Arme Ruß­lands. Der poli­ti­schen Nomen­kla­tura Weiß­ruß­lands kommt auf der ande­ren Seite die Kri­tik an der eige­nen Innen­po­li­tik sehr gele­gen, kann sie doch auf die­ser Grund­lage ihre Poli­tik der Stärke gegen das „impe­ria­lis­ti­sche Aus­land“, die „feind­li­chen Mächte“ sowie die „Agen­ten des Wes­tens“ legitimieren.
Die wirt­schaft­li­che Koope­ra­tion zwi­schen Bela­rus und den Staa­ten der Euro­päi­schen Union sowie die Zusam­men­ar­beit bei der Siche­rung der Außen­gren­zen der Ver­trags­staa­ten des Schen­ge­ner Abkom­mens wer­den dage­gen über­ra­schend sel­ten the­ma­ti­siert und gehen im Gepol­tere der Dik­ta­tur- und Impe­ria­lis­mus-Rhe­to­rik unter. Dabei kenn­zeich­nen eben diese weit­rei­chen­den Koope­ra­tio­nen die Men­schen­rechts­rhe­to­rik als simp­les Abgren­zungs­in­stru­ment. Oder darf man die aus Sicht der Euro­päi­schen Union uni­ver­sell gül­ti­gen Men­schen­rechte zuguns­ten wirt­schaft­li­cher Inter­es­sen zurückstellen?