Biographisches

Unter­hält man sich mit pro­mi­nen­ten Men­schen oder liest deren Bio­gra­phien, so gewinnt man oft den Ein­druck, der indi­vi­du­elle Erfolg habe sich in deren Leben nicht ver­hin­dern las­sen. Zu sehr haben sie sich ange­strengt, sich hier und dort enga­giert, inves­tiert und Neues aus­pro­biert, als dass sie am Ende hät­ten schei­tern kön­nen. In jedem Fall ist der Erfolg ein Ergeb­nis ihres Kön­nens und ihres Bemü­hens. Fak­to­ren wie güns­tige Rah­men­be­din­gun­gen, Zufälle und glück­li­che Fügun­gen kom­men — wenn über­haupt — nur am Rande vor und sind für die Aus­bil­dung ihres Erfol­ges zu vernachlässigen.
Weni­ger pro­mi­nente bezie­hungs­weise erfolg­rei­che Men­schen zeich­nen häu­fig das glei­che Bild — jedoch inver­tiert. So sehr sie sich auch bemüht, hier und dort enga­giert, inves­tiert und Neues aus­pro­biert haben — der Rest der Welt war gegen sie. Wenn es allein nach ihrem Bemü­hen und Kön­nen gegan­gen wäre, so hät­ten sie ihrer Mei­nung nach Erfolg gehabt, ja gera­dezu haben müssen.
Irgendwo zwi­schen die­sen Extre­men möchte ich nicht nur die fol­gende Dar­stel­lung mei­nes Lebens ansiedeln. 😉

Irgend­wann zwi­schen Ölkrise und Deut­schem Herbst kam ich sehr blau­äu­gig auf die Welt. Da sich aus Man­gel an einer geeig­ne­ten Gen-The­ra­pie diese Blau­äu­gig­keit damals nicht medi­zi­nisch kor­ri­gie­ren ließ, ent­wi­ckelte ich als Kom­pen­sa­tion schon sehr früh ein hohes Sicher­heits­be­dürf­nis: Tief­grei­fende Anpas­sungs­kri­sen und Angst vor dem Han­deln ande­rer Men­schen soll­ten in mei­nem Leben nicht vor­kom­men. Mein Leben sollte in ruhi­gen Bah­nen ver­lau­fen, alles sollte sehr sicher sein und seine Ord­nung haben. Um die­ses Ziel zu errei­chen, besuchte ich schon bald nach mei­ner Geburt eine erste The­ra­pie­gruppe. Dort lernte ich zusam­men mit ande­ren Spät­ge­bo­re­nen das Recht des Stär­ke­ren hin­ter dem Rücken des post-1968er, Wir-machen-alles-bes­ser-als-unsere-Eltern-Fach­per­so­nals ken­nen und ent­wi­ckelte vor die­sem Hin­ter­grund ein star­kes Inter­esse für poli­ti­sche Min­der­mei­nun­gen. Aber auch die Tech­nik, wie einige Grup­pen­mit­glie­der trotz dank ihres intel­lek­tu­ell unver­form­ten Geis­tes die Gruppe gestal­ten und prä­gen konn­ten, war für mich interessant.

Nach­dem die Sozia­li­sie­rungs­maß­nah­men in der ers­ten keine rechte Wir­kung zeig­ten, wurde ich in eine wei­tere The­ra­pie­gruppe abge­scho­ben. Zusam­men mit ande­ren jun­gen Män­nern lernte ich dort den Anwei­sun­gen wei­ser Auto­ri­tä­ten Folge zu leis­ten, meine bis dahin weit­ge­hend unsor­tier­ten Gedan­ken in Worte zu fas­sen und so zu kodie­ren, dass andere Men­schen diese los­ge­löst von Raum und Zeit als Bot­schaft emp­fan­gen und ent­schlüs­seln kön­nen. Ich lernte den Umgang mit gefähr­li­chen Stof­fen und Che­mi­ka­lien, lernte Fahr­zeuge mit hohen Geschwin­dig­kei­ten zu len­ken und mich ange­paßt-unauf­fäl­lig in der Gesell­schaft zu bewe­gen. Nach Abschluß die­ser Aus­bil­dung fragte ich mich wie viele mei­ner dama­li­gen Weg­ge­fähr­ten: Wozu das ganze? Ist die Welt jetzt bes­ser und siche­rer gewor­den, weil ich diese Grund­kennt­nisse und Fähig­kei­ten für die Pla­nung und Durch­füh­rung eines Ter­ror­an­schla­ges Siche­rung mei­nes Hau­ses und mei­ner Fami­lie vor den Ter­ror kopie­ren­den und Mör­der rau­ben­den Nazi­por­no­kin­dern erwor­ben habe? Was zeich­net eigent­lich Sicher­heit aus und wo kann man sol­che finden?

Da mir weder meine bis­he­ri­gen Betreuer noch Mit­men­schen hier­auf eine für mich befrie­di­gende Ant­wort geben konn­ten, beschloß ich, eine Ant­wort auf meine Fra­gen in den Tem­peln der Wis­sen­schaft zu suchen.
Nach eini­gen Jah­ren der Stu­die­re­rei und ohne eine befrie­di­gende Ant­wort auf meine anfäng­li­chen Fra­gen gefun­den zu haben, stie­gen in mir leichte Zwei­fel ob der Leis­tung der eta­blier­ten Wis­sen­schaft empor. Im Elfen­bein­turm wur­den viele Fra­gen gestellt und bunt aus­ge­schmückt — ohne eine Ant­wort auf diese hören zu wol­len. Es wur­den Modelle auf­ge­stellt, deren Annah­men dem Leben der Men­schen so fern waren wie Männ­lein und Weib­lein der Gleich­ge­schlecht­lich­keit, es wurde Wein gepre­digt und Was­ser aus­ge­schenkt, und die Könige und Kai­ser des jewei­li­gen Fach­be­rei­ches tru­gen statt aus­ge­sucht stil­vol­ler häu­fig ein­fach nur neue Kleider.

Von die­sen Umstän­den wenig begeis­tert und mit leich­ten Zwei­feln an den grauen Theo­rien aus der Lite­ra­tur und den Semi­na­ren der vor­her­ge­hen­den Jahre begab ich mich auf Wan­der­schaft. Auf vie­len und lan­gen Rei­sen durch mir bis­lang unbe­kannte Räume und Kul­tur­land­schaf­ten wollte ich die Theo­rien in mei­nem Kopf per­sön­li­chen Beob­ach­tun­gen gegen­über­stel­len. Gleich­zei­tig war der Aus­bruch aus den engen Räu­men der Wis­sen­schaft für mich der Beginn einer Flucht — einer Flucht vor einer sich bei mei­nen Mit­men­schen schritt­weise aus­brei­ten­den Unsi­cher­heit, einem laten­ten Pes­si­mis­mus sowie einer per­ma­nen­ten Nör­ge­lei am eige­nen und dem Leben ande­rer Menschen.
Mit den Unter­gangs­phan­ta­sien deut­scher Stamm­tisch­po­li­ti­ker im Ohr begann ich, mich nach alter­na­ti­ven Lebens- und Arbeits­räu­men umzu­se­hen. Mit Vor­liebe waren dies Staa­ten, in wel­chen nach Ver­ständ­nis der dor­ti­gen Eli­ten noch Anstand, Recht und Ord­nung herr­schen. Schließ­lich soll nach land­läu­fi­ger Mei­nung — ins­be­son­dere älte­rer Mit­men­schen — das Leben in sol­chen Län­dern bes­ser sein. Vor allem dann, wenn es dort noch so aus­sieht und zugeht wie in der „guten, alten Zeit“™, denn schließ­lich war frü­her immer alles bes­ser als es in der Zukunft je sein kann.
Wäh­rend mei­ner ers­ten Rei­sen durch den Wil­den Osten der frü­hen Trans­for­ma­ti­ons­jahre wurde ich ganz prak­tisch mit der Nase auf eine Frage gesto­ßen, mit wel­cher ich mich bis dahin nur theo­re­tisch beschäf­tigt hatte: Warum sind die einen arm und die ande­ren reich? Eine plau­si­ble Ant­wort auf diese Frage ver­su­che ich seit­dem bei mei­nen Arbei­ten, Rei­sen und Pro­jek­ten, in Wis­sen­schafts- und For­schungs­tem­peln als auch auf der Straße zu finden.

Auf den ver­schlun­ge­nen Pfa­den mei­ner Rei­sen stellte sich als­bald her­aus, dass meine Fra­gen nach den Ursa­chen für Armut und Reich­tum sowie Krieg und Frie­den auch für andere Men­schen inter­es­sant waren. Des­halb beglei­te­ten mich auf mei­nen Wegen immer wie­der unauf­fäl­lig geklei­dete Her­ren und wach­ten dar­über, dass mir auch nichts Böses zustoße. In man­chen Län­dern waren diese Her­ren beson­ders nett und luden mich zu einem Besuch ver­schie­de­ner Gäs­te­häu­ser ein, um mir im Schutze die­ser auf Abge­schie­den­heit und Sicher­heit opti­mier­ten Ein­rich­tun­gen mal für kür­zere, mal für län­gere Zeit eine Pause vom Streß des Rei­sens zu gön­nen. Diese Ruhe tat manch­mal auch ganz gut, denn in vie­len der von mir besuch­ten Regio­nen herrschte eine Bom­ben­stim­mung. Kaum war ich da, explo­dier­ten Busse, U‑Bahnen und Fern­züge, stürz­ten Wohn- oder Hoch­häu­ser ein oder tra­ten im Rah­men huma­ni­tä­rer Poli­zei­ein­sätze hun­derte Men­schen früh­zei­tig vor ihren ima­gi­nier­ten Schöp­fer. Dank der für­sorg­li­chen Hilfe der mich beschüt­zen­den Sicher­heits­dienste konnte ich erken­nen, wie gut Men­schen leben, wenn nur eine kleine Gruppe Aus­er­wähl­ter und Selbst­er­nann­ter über das Für und Wider sowie Gut und Böse im Leben ande­rer Men­schen entscheidet.

Ich war gerade drauf und dran, diese Gesell­schafts­mo­delle toll und schön zu fin­den und mich in einem von die­sen dau­er­haft ein­zu­rich­ten, da mußte ich zu mei­ner Über­ra­schung jedoch fest­stel­len, dass die Mehr­heit der Men­schen in die­sen Län­dern von einem Leben in Chaos, Deka­denz, Unsi­cher­heit und sinn­lo­sem Kon­sum träumte. Sie träum­ten von einem Leben in einem der Län­der, aus wel­chen ich gerade kam. Gedachte ich in der Fremde Sicher­heit, Anstand, Recht und Ord­nung zu fin­den, so woll­ten die Men­schen in die­sen Län­dern, wo Auto­ri­tä­ten noch geach­tet wer­den, zu mei­nem Erstau­nen lie­ber von einem Räu­ber in einem dunk­len Stadt­park in Ber­lin, Lon­don oder Paris als von den mehr oder weni­ger selbst gewähl­ten Eli­ten ihres Hei­mat­lan­des aus­ge­plün­dert wer­den. Diese Beob­ach­tung stürzte mich in eine tiefe Sinn­krise und ließ mich erneut dicke Bücher wäl­zen, Semi­nare besu­chen und im Anschluß daran in noch ent­le­ge­nere Gebiete rei­sen, um eine Ant­wort auf meine Fra­gen sowie den Ort umfas­sen­der Sicher­heit und Lebens­freude zu finden.

Nach etli­chen Jah­ren des Her­um­rei­sens und Suchens in der Fremde mußte ich des­halb nach einer Rück­kehr nach Deutsch­land nicht ohne Aner­ken­nung fest­stel­len, dass die deut­schen Eli­ten zwi­schen­zeit­lich viele tief­grei­fende Maß­nah­men erson­nen hat­ten, um die „gute, alte Zeit“™ wie­der ein­zu­füh­ren und mir das Gefühl von Sicher­heit auch in Deutsch­land zu ver­mit­teln. Dar­über hin­aus haben sie es in den letz­ten Jah­ren geschafft, klare Ant­wor­ten auf meine Fra­gen zu geben. Sie, die Poli­ti­ker der „demo­kra­ti­schen Mitte“, wis­sen seit einer Weile sehr genau die rich­ti­gen Ant­wor­ten auf viele Fra­gen. Muß­ten ihre Vor­gän­ger frü­her noch in lang­wie­ri­gen Dis­kus­sio­nen und Ver­hand­lun­gen gang­bare Wege des inner­ge­sell­schaft­li­chen Inter­es­sen­aus­glei­ches suchen und waren sie sich hier­bei nicht immer sicher, den rich­ti­gen Weg gefun­den zu haben, so kenn­zeich­net ihre Nach­fol­ger nur eines: Der feste Glaube an eine Zukunft nach ihren Vor­stel­lun­gen. Ange­trie­ben von ihrem Glau­ben und ihrer rech­ten Über­zeu­gung sind sie der Mei­nung, mit ihrer Poli­tik Sicher­heit und Recht und Ord­nung zu schaf­fen. Die deut­sche — selbst­ver­ständ­lich wei­ter­hin demo­kra­ti­sche — Repu­blik ist mit die­sem Schritt wie­der ein­mal vie­len ande­ren Län­dern vor­aus und kann sich in die­sem Punkt als rech­tes Vor­bild ein­stu­fen las­sen. Nir­gendwo anders geht man in so gro­ßen Schrit­ten der „guten alten Zeit“™ ent­ge­gen wie zwi­schen Maas Rhein und Memel Oder, Etsch Alpen und Belt Ost­see. (Auf­grund mei­ner umfang­rei­chen Erfah­run­gen in vie­len ande­ren Län­dern die­ser Erde denke ich die­sen Punkt ganz gut ein­schät­zen zu können.)

Seit­dem es auf diese Weise in Deutsch­land wie­der stür­misch vor­wärts geht, habe auch ich einen neuen Sinn im Leben und recht­schaf­fende Arbeit gefun­den: Im Rah­men von Pro­jek­ten ver­mittle ich das wahre und rechte Bild Deutsch­lands im In- und Aus­land. Damit auch der Rest der Welt am deut­schen Wesen gene­sen kann, mache ich andere Men­schen mit der deut­schen Geschichte ver­traut und trage auf diese Weise dazu bei, dass Frei­heit, Gleich­heit, Brü­der­lich­keit, Einig­keit und Recht und Frei­heit Sicher­heit und Ord­nung auch im letz­ten Gebirgs­tal am Hin­du­kusch maß­geb­li­ches Ent­wick­lungs­ziel der auf­ge­klär­ten und auf­zu­klä­ren­den Gesell­schaf­ten wer­den. Kurz: Ich ver­mittle die rech­ten Werte einer Gemein­schaft, auf dass sich die Ande­ren in ihren Gesell­schaf­ten im wil­den Dschun­gel ein Bild von die­sem gepfleg­ten Gar­ten der Wer­te­ge­mein­schaft hin­ter den hohen Mau­ern machen kön­nen, ohne hier­für den beschwer­li­chen Weg in das gelobte Land antre­ten zu müssen.

Und wenn ich nicht wie­der ein­mal im Rah­men eines die­ser Pro­jekte in irgend­ei­nem Kur­haus ira­ni­scher turk­me­ni­scher usbe­ki­scher kasa­chi­scher rus­si­scher weiss­rus­si­scher ukrai­ni­scher pol­ni­scher hilfs­be­rei­ter Sicher­heits­dienste sitze, dann hocke ich vor die­sem Text, ver­su­che ihn zu ver­bes­sern und über­lege mir, was ich in mei­nem Leben noch so inter­es­san­tes anstel­len könnte. Natür­lich nur, um dann wie die ein­gangs erwähn­ten erfolg­rei­chen Men­schen erklä­ren zu kön­nen: Das mußte ja alles so kom­men. Mit Sicherheit. 😉