Dieser Ort ist an Komplexität und Vielschichtigkeit kaum zu überbieten. Das von Robert Kurz im Stil des Sozialistischen Klassizismus entworfene und 1959 fertiggestellte Hotel trägt nunmehr statt des initialen russischen Namens die rumänische Bezeichnung der Landeshauptstadt. Auch wenn das Gebäude nach wie vor von einem Sowjetstern gekrönt ist, sehen die Betreiber desselben ihr Haus mit der Europäischen Union verbunden und nutzen das Emblem der Staatengemeinschaft deshalb als Teil ihres Hotelnamens.
Nicht nur das Hotel wurde nach der staatlichen Unabhängigkeit des Landes umbenannt. Der Platz vor dem Hotel heißt nicht mehr „Platz der Befreiung“, sondern nunmehr „Platz der Vereinten Nationen“. In der Mitte des Platzes verblieben ist bislang das Denkmal „Zu Ehren der heldenhaften Sowjetarmee für die Befreiung Moldawiens von den deutschen-faschistischen Eroberern“. In Anbetracht des Umstandes, dass die nach der Oktober-Revolution zuerst als Hauptstadt eines unabhängigen Moldawiens, seit 1918 zu Rumänien gehörende Stadt am 28.06.1940 durch die Rote Armee besetzt und das umgebende Gebiet von der Sowjetunion annektiert wurde, stellt sich die Frage, ob nicht die deutschen und rumänischen Kampfverbände als Befreier gewertet werden sollten, als diese gemeinsam im Juli 1941 die Stadt besetzten. Das Denkmal ist nicht der Befreiung von der deutschen Terrorherrschaft zwischen 1941 und 1944 gewidmet, während derer mehr als 50.000 Bewohner der Stadt in Ghettos, auf Todesmärschen und bei Massenhinrichtungen ihr Leben verloren.